Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Globalen BHI-Konferenz über die Verbindung von Sport und Migration, die vom 27. bis 28. Juni 2017 in Berlin stattfand, stellten die Diskussionsteilnehmer heraus, dass Gewerkschaften und andere Organisationen sportliche Großveranstaltungen als Chance für den sozialen Wandel im Hinblick auf Menschen- und Arbeitnehmerrechte ansehen sollten.
An der von Rita Schiavi von der schweizerischen BHI-Mitgliedsorganisation UNIA moderierten Diskussion nahmen Vertreter des britischen Gewerkschaftsverbandes UNITE the Union, dem Schweizerischen Departement für auswärtige Angelegenheiten sowie von Amnesty International teil. Im Vordergrund der Diskussion standen die Ausbeutung von Arbeitsmigranten sowie die Verletzungen von Gewerkschaftsrechten. Immer wieder stellten die Teilnehmer im Verlauf der Diskussion auch erfolgreiche Strategien zur Bekämpfung dieser Probleme heraus.
Den Impuls für die Diskussion gab der beim norwegischen Magazin Josimar beschäftigte Investigativjournalist Håvard Melnæs. So beschrieb er seine in Russland durchgeführten Recherchen, mit denen er ans Tageslicht brachte, unter welchen ausbeuterischen Arbeitsbedingungen nordkoreanische Arbeitsmigranten auf den Baustellen des Stadions in St. Petersburg beschäftigt waren. Die Stadt ist einer der Austragungsorte der im Jahr 2018 in Russland stattfindenden Fußball-Weltmeisterschaft. Seine Recherchen führten zu der Erkenntnis, dass die Arbeitnehmer unter sklavenartigen Bedingungen beschäftigt wurden. So mussten sie unter strikter Bewachung Überstunden leisten und hatten nur wenige freie Tage. Darüber hinaus lebten sie in sehr dürftig ausgestatteten Containern.
Der stellvertretende Direktor des Global Issues Program bei Amnesty International, James Lynch, fasste die Ergebnisse von Recherchen über nepalesische Arbeitsmigranten in einem Bericht mit dem Titel „Wenn Menschen zu Profit gemacht werden: Missbräuchliche Vermittlung von Arbeitskräften, Menschenhandel und Zwangsarbeit von nepalesischen Arbeitsmigranten“ zusammen. Er stellte heraus, dass die Arbeitsmigranten trotz neuer Bestimmungen nach wie vor häufig mehr als USD 1000 für die Erlangung eines Arbeitsplatzes zu zahlen hätten. Ein großer Anteil ihrer Löhne würde dann hinterher in die Abzahlung dieser Schulden fließen und könne sogar zur Zwangsarbeit führen. James Lynch betonte die Bemühungen der nepalesischen Regierung zum Schutz ihrer Staatsbürger, die gezwungen seien, im Ausland nach einer Beschäftigung zu suchen. Allerdings habe die nepalesische Regierung noch nicht genügend Ressourcen bereitgestellt, damit diesen ausbeuterischen Praktiken Einhalt geboten werden könne, obwohl die Arbeitsmigranten inzwischen mit 30% zum nepalesischen Bruttoinlandsprodukt beitragen.Rémy Friedmann, Beauftragter für Wirtschaft und Menschenrechte in der Abteilung für menschliche Sicherheit des Schweizerischen Außendepartements, ist der Auffassung, dass sportliche Großveranstaltungen über das Potential verfügen, soziale Verbesserungen herbeizuführen. Allerdings bergen sie auch Risken in sich. Im Jahr 2015 hat die Schweizer Regierung einen Dialog zwischen den verschiedenen Beteiligten ins Leben gerufen, der sich mit der Herausarbeitung von Risiken auch in Bezug auf Menschenrechte, die Lieferkette und Zwangsräumungen auseinandersetzt. Im Rahmen dieses Dialogs wird gemeinsam nach nachhaltigen Lösungen gesucht, die über die Dauer der Großveranstaltung an sich hinausgehen.
Jim Kennedy ist beim britischen Gewerkschaftsverband UNITE für die Entwicklung des Bausektors verantwortlich und hat bereits an mehreren Missionen nach Katar teilgenommen. Er betonte, dass strengere Rahmenbedingungen notwendig seien, damit die Menschen- und Arbeitnehmerrechte in den Ausschreibungsprozessen für sportliche Großveranstaltungen zur Bedingung gemacht werden. Darüber hinaus hob er hervor, dass Mechanismen an den Arbeitsplätzen eingerichtet werden müssen, über die ermittelt werden kann, wo auf den Baustellen der einzelne Arbeitsmigrant genau beschäftigt ist. Nur so könne sichergestellt werden, dass ihre Rechte gewahrt werden, wenn sie den Arbeitsplatz wechseln bzw. durch einen anderen Subunternehmer beschäftigt werden.