15 October 2024

Saudi-Arabien: Fehlverhalten gegenüber Arbeitnehmern unter den Augen der FIFA

Genf, 22. Oktober 2024 – Die Bau- und Holzarbeiter Internationale (BHI) warnt angesichts der offensichtlichen Missachtung von Menschenrechten durch die FIFA während ihrer Bewertung der Vergabe der FIFA-Weltmeisterschaft 2034 nach Saudi-Arabien. Trotz schwerwiegender Verstöße, die dokumentiert sind und mehr als 21.000 Arbeitsmigranten betreffen, hat sich die FIFA entschieden, die Stimmen derjenigen zu ignorieren, die Opfer von Zwangsarbeit und Lohndiebstahl geworden sind. Damit erfüllt sie ihre Selbstverpflichtung nicht, die Menschenrechte zu achten.

Neue Beweise, die der BHI von Arbeitern zugegangen sind, die auf lange überfällige Löhne warten, decken eine verstörende Realität auf. Arbeitnehmer aus den Philippinen, Nepal, Pakistan, Indien und Bangladesch, die eine unerlässliche Rolle beim Bau von Saudi-Arabiens Infrastruktur gespielt haben, erhalten weiterhin ihre Löhne nicht. Trotz der wegweisenden Beschwerde der BHI bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die im Juni 2024 eingereicht worden war und in der Gerechtigkeit für diese Beschäftigten gefordert wird, wurde bisher nur ein Bruchteil der Zahlungen durch die saudischen Behörden angeordnet. 

Ein Brieg eines Arbeiter von den Philippinen, der beim inzwischen aufgelösten Unternehmen Saudi Oger beschäftigt war, zeigt den Umfang der Versäumnisse. Von den 8.830 Arbeitern, die ihre ausstehenden Löhne einfordern, wurden nur 1.352 bezahlt, mit einer Gesamtsumme von SAR 69.050.811 (USD 18.390.201 von geschätzten SAR 2,6 Mrd. – ca. USD 693 Mio.), während Tausende weiterhin unbezahlt bleiben. Den erhaltenen Berichten zufolge mussten zahlreiche dieser Beschäftigten jahrelang Not leiden und Kredite mit hohen Zinsen aufnehmen, um die grundlegenden Ausgaben für den Haushalt tätigen zu können. Andere wiederum konnten es sich nicht leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken oder medizinische Versorgung in Anspruch zu nehmen. 

Trotz des kritischen Zeitpunkts, zu dem die FIFA die Menschenrechtsstrategie evaluiert, die im Juli 2024 vom Fußballverband Saudi-Arabiens im Zusammenhang mit der FIFA-Weltmeisterschaft 2034 offiziell vorgestellt wurde, bleibt diese Ungerechtigkeit unter den Augen der FIFA bestehen. Die eigene Menschenrechtspolitik der FIFA besagt deutlich, dass die ausrichtenden Länder die internationalen Arbeitnehmer- und Menschenrechtsstandards achten müssen. In diesen Leitlinien verpflichtet sich die FIFA ausdrücklich dazu, Verhalten mit negativen Auswirkungen auf die Menschenrechte zu verhindern oder abzuschwächen. Zudem soll eine Due Diligence bei der Auswahl von Ausrichterländern durchgeführt werden. 

Wo bleibt die Due Diligence der FIFA?

Es sind nur noch zwei Monate, bis die Weltmeisterschaft an Saudi-Arabien vergeben wird – wie kann die FIFA behaupten, dass sie eine detaillierte Due Diligence zu Saudi-Arabien durchgeführt hat? Eine echte Due Diligence erfordert es, dass das Verhalten gegenüber Arbeitnehmern beobachtet wird und dass deren Organisationen konsultiert werden – was durch Saudi-Arabien unmöglich gemacht wird. Unabhängige Gewerkschaften sind verboten, Angst und Einschüchterung weit verbreitet und die Verteidiger der Menschenrechte wurden entweder inhaftiert oder zum Schweigen gebracht.

Seit dem Einreichen einer Beschwerde bei der ILO, unterstützt von mehreren Menschenrechtsorganisationen und Gewerkschaften, hat die BHI die FIFA mehrfach aufgefordert, in einen Dialog über dieses Fehlverhalten einzusteigen und strikte Bedingungen für die Ausrichtung festzulegen. Die FIFA bleibt stumm. Da es keine unabhängigen Gewerkschaften gibt, wie kann die FIFA behaupten, dass sie ihren Pflichten nachgekommen ist, die faire und menschliche Behandlung der Arbeiter in Saudi-Arabien zu gewährleisten? Die Antwort ist eindeutig: Sie hat es nicht getan.

Es bleiben Fehlverhalten und Ausbeutung

Saudi-Arabiens Infrastruktur wurde auf dem Rücken ausgebeuteter Migranten und einheimischer Arbeiter aufgebaut. Von der BHI dokumentierte Fälle zeigen, dass ihnen ihre Würde, ihre Löhne und ihre Zukunft verweigert werden. Eine Entscheidung, die Weltmeisterschaft 2034 in ein Land zu vergeben, das weder die physische noch die soziale Infrastruktur hat, ein faires Ausrichterland zu sein, ist im Grunde Sportkolonialismus. Während Saudi-Arabien in den nächsten zehn Jahren Milliardenbeträge in neue Stadien und Infrastruktur investiert, werden die Erlöse in den Händen der FIFA und ihrer wirtschaftlichen und mächtigen lokalen Partner zusammenlaufen, so dass die Arbeitnehmer im Land und die ungeschützte Bevölkerung die Last von Ausnutzung und sozialer Disruption tragen müssen.

Baupläne

Für die Ausrichtung der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2034 steht Saudi-Arabien vor deutlichen Herausforderungen, denn es müssten die Anforderungen an Stadien erfüllt werden, die in den Ausschreibungsunterlagen der FIFA für 2030 und 2034 enthalten sind. Zum Zeitpunkt der Abgabe der Angebots hatte das Land erst zwei Stadien gebaut; weitere Bauprojekte wurden 2024 bewilligt und ein weiteres Projekt im März dieses Jahres angestoßen. Von den 15 Stadien mit einer Kapazität von mindestens 40.000 Plätzen, die erforderlich sind, muss Saudi-Arabien 13 Stadien bauen oder erweitern. Das beinhaltet den Bau von acht neuen und drei weiteren, bei denen die Bauarbeiten schon laufen; zwei weitere müssen erweitert werden, unter anderem das Stadion für das WM-Endspiel, in dem 80.000 Zuschauer Platz finden müssen. Aktuell kann Saudi-Arabien nur die Anforderungen an zwei Halbfinale-Stadien erfüllen, mit jeweils 60.000 Plätzen, hat aber kein Stadion, das für das Finale infrage käme. 

Schätzungen der BHI zufolge, die langjährige Erfahrung mit der Verteidigung guter, menschenwürdiger Arbeitsstandards über Arbeitsinspektionen bei Mega-Sportevents hat, etwa in Katar, werden für Bauprojekte dieser Größenordnung – ohne die Infrastrukturprojekte in der Umgebung – mindestens 70.000 Arbeiter benötigt.

Die FIFA muss zur Rechenschaft gezogen werden

Die Prioritäten der FIFA sind schon viel zu lange auf Gewinn statt auf die Menschen ausgerichtet. Die FIFA behauptet, dass sie einen Sport fördert, der Millionen Menschen auf der ganzen Welt inspiriert. Doch indem sie die Augen vor den Bedingungen verschließt, unter denen 20.000 Arbeitsmigranten leben, deren Rechte skrupellos mit Füßen getreten werden und deren Leid ignoriert wird, kehrt sie den Werten den Rücken, die sie angeblich hochhalten will. 

BHI-Generalsekretär Ambet Yuson äußerte sich dazu wie folgt: „Das Land Saudi-Arabien mit der Vergabe der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft 2034 zu belohnen, ohne eine belastbare Untersuchung und Mechanismen zur Vermeidung weiteren Fehlverhaltens bedeutet, Ausbeutung und Unrecht auf der globalen Ebene zu unterstützen. 

Während es keine glaubwürdige Bewertung der Menschenrechtspläne von Saudi-Arabien geben kann, ohne dass unabhängige Organisationen vor Ort dazu Informationen liefern, muss die FIFA unverzüglich die Verantwortung übernehmen und ihre Mittel dazu nutzen, dass tausende von Arbeitnehmern, denen seit einem Jahrzehnt ihre grundlegenden Rechte verwehrt werden, Gerechtigkeit erfahren.

Es muss jetzt sofort gehandelt werden – bevor eine Entscheidung endgültig wird und das Unrecht die Welt des Sports für immer befleckt.“ ENDE