15 January 2025

Blog: Für Freiheit und Würde in Myanmar – die ILO sollte den weltweiten Kampf anführen

Von BHI-Generalsekretär Ambet Yuson und IUF-Generalsekretärin Sue Longley

Der Bericht der ILO-Untersuchungskommission zu Myanmar mit dem Titel „Für Freiheit und Würde in Myanmar“ beschreibt ein Regime, das von den Menschen in Myanmar verachtet wird und sich über Terror und Angst an die Macht klammert. Es wird darin bestätigt, dass sich die Bedingungen für die Bevölkerung immer weiter verschlimmern: Personen werden intern und extern zwangsvertrieben, die Armut ist erdrückend, die Menschen leiden unter Hunger und Krankheiten, es gibt regelmäßig Bombardierungen und Zivilisten werden ermordet. Wer Widerstand leistet, wird Opfer von willkürlichen Festnahmen, Folter und Haftstrafen – dies betrifft unter anderem Gewerkschaftskollegen.

Die Ergebnisse der Untersuchungskommission werden durch ein Schreiben aller drei Interessensträger vom 27. September 2024 verstärkt, das von der Regierung der nationalen Einheit (NUG) an den Generaldirektor der ILO übersandt wurde. Auf der Grundlage hunderter Gespräche und ausgiebiger Dokumentation beschreibt der Brief im Detail die schwerwiegenden und sich weiter verschärfenden Verstöße gegen die Arbeitnehmerrechte, unter anderem mit Blick auf die Vereinigungsfreiheit, Zwangsarbeit und Kinderarbeit. Beweise der NUG zeigen, dass Männer, Frauen und Kinder für den Militärdienst zwangsverpflichtet werden, um gegen ihre Mitbürger in den Krieg zu ziehen. 

Wie die NUG berichtet, haben die Handlungen dieses Regimes ein „Klima der Angst, Unterdrückung und Gewalt entstehen lassen“. Es ist an der Zeit, das Militär für seine Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen und ihm die Macht zu entziehen, um weiteren Schaden für die Menschen in Myanmar zu verhindern. Durch Brutalität wurde das Leid nur noch verschlimmert; Unterdrückung hat den Konflikt weder beendet noch Frieden gebracht – nicht einmal den Frieden einer Grabstätte.

Organisierte Opposition

Die Verbrechen des Regimes haben dazu geführt, dass eine historische, geeinte Opposition entstanden ist. Ein Teil der lebensnotwendigen Infrastruktur für diese Opposition ist während der Phase der eingeschränkten Demokratie unter dem vorherigen Militärregime entstanden, das einen Reformprozess begonnen hatte. In dieser Zeit entstanden Gewerkschaften und ein System der Beziehungen zwischen den Sozialpartnern, unterstützt von der ILO und der Solidarität der globalen Gewerkschaftsbewegung.

Mutige Gewerkschaftsaktivisten haben diese Opposition offen durch Streiks und Kundgebungen geführt. Als sie in den Untergrund gezwungen wurden, haben die Gewerkschaften an der Einrichtung der Regierung der nationalen Einheit (NUG) mitgewirkt. Während die bewaffnete Opposition gegen das Militärregime Fortschritte erzielen konnte, befürworten weder die ILO noch die UN Frieden durch Krieg.

Am 1. Februar 2025 sind es vier Jahre seit dem Putsch. Selbst in dieser vorangeschrittenen Phase könnte eine kohärente und wirksame globale Strategie, in Verbindung mit der entsprechenden Dringlichkeit, einen Frieden herbeiführen, der Myanmar heilt, anstatt zu zerstören, was vom Land übrig ist.

Schlussfolgerungen

Myanmar sollte für die ILO und ihre Mitglieder eine Priorität sein, denn die Situation ist nicht hoffnungslos – im Gegenteil. Auch wenn die Demokratie sich nicht voll entfalten konnte, haben die Menschen doch einen Vorgeschmack auf Freiheit bekommen. Sie haben Vereinigungsfreiheit und Meinungsfreiheit erlebt. Die Ausübung dieser Rechte fördert die Achtung anderer Menschenrechte. Der Keim der Demokratie wurde ausgesät und die Menschen in Myanmar sind durch ihren Kampf abgehärtet.

BHI und IUF schließen sich dem Aufruf an, der im vorliegenden Schreiben der NUG erläutert wird, dass die ILO „entschlossen handeln sollte, um die Junta dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass sie die Bevölkerung von Myanmar wie Sklaven behandelt, in eklatanter Verletzung der Arbeitsnormen.“ Es ist an der Zeit, dass die ILO entschlossen vorgeht, um die Rechte und Würde der Arbeitnehmer in Myanmar zu schützen. Die fortdauernden Verletzungen der Arbeitnehmerrechte und die Missachtung der Empfehlungen der Untersuchungskommission erfordern eine sofortige und entschiedene Reaktion. Wenn jetzt nicht gehandelt wird, werden weitere Menschen sterben, eine ganze Generation wird zerstört und es entsteht ein unumkehrbarer Schaden für die Zukunft des Landes.

Der ILO-Verwaltungsrat sollte sich bei nächstmöglicher Gelegenheit auf Artikel 33 der ILO-Verfassung berufen. Er sollte Empfehlungen für die Internationale Arbeitskonferenz erarbeiten, damit der Wille der Menschen in Myanmar unterstützt, die Geringschätzung der Junta für weltweite Werte und Standards zurückgewiesen und die Rechtsstaatlichkeit gewahrt wird.

Anhang: Bestandteile einer globalen Strategie für Myanmar

Die ILO ist in einer guten Position, um internationale und regionale Organisationen, nationale Regierungen und die Sozialpartner zu führen. Sie kennt das Land und hat bereits in der Vergangenheit dort erfolgreich gehandelt. Dies ist eine Chance, die soziale Gerechtigkeit in einem Land zu fördern, in dem es trotz massiver Herausforderungen noch Hoffnung gibt.

Artikel 33

Die Entscheidung der ILO, in den Jahren 2000 und 2006 Artikel 33 geltend zu machen, hat ihr Engagement deutlich gestärkt und dazu beigetragen, dass die früheren Militärregierungen sich bemüht haben, die Zwangsarbeit zu reduzieren. Angesichts der aktuellen, sich weiter verschlimmernden Lage ist es mehr als berechtigt, nach der zweiten Untersuchungskommission Artikel 33 erneut anzuwenden. Die Verbrechen der Militärjunta machen diesen Schritt erforderlich.

Auch wenn eine Entschließung der Internationalen Arbeitskonferenz noch nicht automatisch zu Ergebnissen führt, so ist sie doch ein Mindesterfordernis, wenn wir beharrlich bleiben und eine belastbare Strategie erarbeiten und umsetzen wollen. Jegliche Strategie muss ehrgeizig sein und konkretes weiteres Handeln festlegen.

Druck auf das Militärregime – der staatliche Verwaltungsrat

Es ist klar, dass das Regime den Bedürfnissen und dem Willen des Volkes von Myanmar keine Beachtung schenkt, und dass seine Kommunikation gegenüber der ILO weiterhin mit Unwahrheiten getränkt ist. Aus diesem Grund sollte der Fokus nicht auf der moralischen Überzeugungsarbeit liegen, sondern dem Regime den Zugang zu finanziellen Mitteln, Waffen und Legitimität verwehren.

Finanzen. Das Regime wird durch Finanzströme über offizielle Banken, Finanzinstitutionen und ungesetzliche Kanäle aufrecht gehalten. Schritte zur Störung dieser Finanzflüsse sollten die Banken in Myanmar und regionale Bankinstitutionen einbinden. Auch kriminelle Unternehmen unterstützen das Regime, was die Rolle der Strafverfolgung unterstreicht.

Investitionen sind eine weitere Quelle von Finanzmitteln, die oftmals durch Steueroasen oder Scheinfirmen vertuscht werden. Regierungen sollten die notwendigen Ressourcen bereitstellen, um Finanzmittel, Investitionen und Handelsbeziehungen zurückzuverfolgen, damit wirksam eingegriffen und weitere Unterstützung des Regimes verhindert werden kann. Konzerne sollten eine Due Diligence durchführen, um sicherzustellen, dass sie nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind.

Waffen. Ein Waffenembargo gegen Myanmar ist essenziell. Belarus hat in der Vergangenheit moderne Waffen geliefert, darunter Raketensysteme. Während die EU-Staaten und mehrere andere Nationen bei Technologien mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use) Einschränkungen vornehmen, weil sie bei der Waffenproduktion eingesetzt werden können, bleiben die Lieferketten für Waffen dennoch komplex und bedürfen weiterer Untersuchungen. Zudem gefährden die modernen Überwachungssysteme in Myanmar die Aktivisten der Opposition.

Legitimierung. Die UN und ihre Sonderorganisationen erkennen das Militärregime nicht als rechtmäßig an, haben allerdings auch die NUG nicht akzeptiert. Die nationalen Regierungen sollten die NUG offiziell anerkennen und sie unterstützen, damit sie eine wirksamere politische Rolle spielen und den Widerstand organisieren kann. Eine fähige politische Kraft ist entscheidend, um die unterschiedlichen Gruppen zusammenzuhalten – aktuell und in einem zukünftigen demokratischen Myanmar.

Dreigliedrigkeit

Die ILO ist zwar eingeschränkt, was eine direkte Zusammenarbeit mit der NUG betrifft, aber Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen können mit den entsprechenden Partnern innerhalb und außerhalb von Myanmar frei agieren. Die ILO sollte ein Hilfsprogramm für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen erwägen, das von der NUG beschriebene Probleme lösen hilft, unter anderem die Gesetze über die Wehrpflicht.

Auch die Sozialpartner können dabei helfen, regional und weltweit mobil zu machen, etwa über den ASEAN und die EU. Es gibt bereits Solidaritätsmaßnahmen für Organisationen in Myanmar, doch diese könnten noch weiter verstärkt werden. So könnten etwa Gewerkschaften mit Vertriebenen in Kontakt treten, etwa den geflüchteten Rohingya in Bangladesch.

Wenn die Sozialpartner eingebunden werden, könnte es sein, dass Regierungen eher geneigt sind, Myanmar zu einer Priorität zu machen und dafür zu sorgen, dass das Land nicht vor dem Hintergrund weltweiter Krisen und Konflikte untergeht.